
Entsetzt rauft sich Federico Dimarco auf dem Boden liegend seine weiß-blonden Haare. Soeben hatte er im Champions-League-Finale gegen Manchester City eine Doppelchance liegen lassen. Zweimal mit eben jenem Körperteil, dem seine Haare aufliegen. Manchester hatte kurz zuvor in Person von Rodri zur Führung getroffen. 20 Minuten vor Schluss wirft Inter Mailand noch einmal alles in die Waagschale, braucht den Ausgleich. Die Chancen sind da, nur das Tor will nicht fallen. Auch in der 70. Minute nicht, als Dimarco erst an die Latte köpft und den Abpraller ans Schienbein von Mitspieler Romelu Lukaku setzt.
Hätte Inter Mailands linker Schienenspieler Federico Dimarco den Ball in diesem Moment mit etwas mehr Druck aufs Tor gebracht oder im zweiten Versuch Romelu Lukaku nicht seinen Fuß im Weg gehabt, wären die Chancen gar nicht schlecht gewesen, dass die Feierszenen, die dieser Tage in Manchester stattgefunden haben, in Mailand passiert wären. Nicht Jack Grealish, sondern Federico Dimarco mit weit ausgestreckten Armen auf dem Partybus. Denn allzu fremd sind sich die beiden Spieler nicht. Die Bilder und Videos von Feierlichkeiten aus Manchester von und um Jack Grealish sind bekannt, einige Wochen zuvor bekamen wir ähnliches aus Mailand zu sehen. Inter hatte soeben den großen Lokalrivalen AC Mailand aus dem Champions-League-Halbfinale geschossen und Fans und Mannschaft feierten den Triumph im San Siro.
Gemeinsam mit den Inter-Fans stimmte der 25-jährige Dimarco an: „Wer nicht hüpft, ist rot-schwarz.“ Ein Gesang, den der Italiener vor der Kurve mit tausenden Menschen in blau-schwarz skandierte. Den rot-schwarzen Teil der Stadt allerdings entrüsteten die Szenen: „Dimarco pensa a giocare… o la lingua te la facciamo ingoiare“, stand in der Nacht darauf auf einem riesigen Plakat vor dem Haus des 25-Jährigen. „Dimarco, spiel’ lieber Fußball… sonst lassen wir dich deine Zunge verschlucken“. Huch. Dimarco entschuldigte sich schleunigst für seinen Gesang, die Polizei leitete Ermittlungen gegen die Urheber des Plakats ein.
Einer wie David Alaba oder Roberto Carlos
Aber auch auf dem Feld weiß der Inter-Spieler auf sich aufmerksam zu machen. Um Dimarcos Spielstil zu verstehen, helfe laut der italienischen Tuttosport ein Blick auf den jungen David Alaba. Der Österreicher ist ähnlich klein gewachsen wie Dimarco. Dimarco ist schnell und wendig, ähnlich zu Alaba aber ein kompaktes Kraftpaket, das schwer zu greifen ist. Immer wieder schaltet Dimarco sich in der Offensive ein und kreiert dank hoher Arbeitsrate und seiner guter Technik Chance um Chance. Bemerkenswert ist auch seine starke Schusstechnik.
Ähnlich wie Alaba, der 2011 zunächst einen Abstecher nach Hoffenheim machte, bevor er bei den Bayern Fuß fasste, brauchte auch Dimarco zwischenzeitliche Luftveränderungen. Vier Leihstationen in Italien und ein Wechsel in die Schweiz zum FC Sion stehen bereits in seiner Vita. Er selbst möchte sich aber nicht mit David Alaba vergleichen. Ihm gefallen zwei andere Referenzpunkte: „Ich schaue mir Jordi Alba und Roberto Carlos ganz genau an – ich versuche, Teile ihres Spiels in meine Spielweise einzubeziehen“, sagt er.
Und in der Tat: In seinem Spiel sind hie und da carloske und albaske Züge zu erkennen. Mit den offensiven Fähigkeiten, wie man sie von Jordi Alba kennt, setzt Dimarco immer wieder seine Mitspieler in Szene und verhilft Inter Mailand zur großer Flexibilität im Angriffsspiel. In der vergangenen Saison war Federico Dimarco wettbewerbsübergreifend an 16 Toren beteiligt. Von Roberto Carlos’ Explosivität hat sich Dimarco ebenfalls einiges abgeschaut, seine Sprints und die harten, präzisen Abschlüsse erinnern zumindest ein wenig an den Brasilianer.
Seine Saisonstatistiken lassen den Schluss zu, dass Dimarcos Stärken im offensiven Bereich liegen, nicht so sehr in der Defensive. Seine Passquote lag in der letzten Saison durchschnittlich bei soliden 80,6 Prozent. Lediglich 55 Prozent seiner Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden, für einen Verteidiger kein sonderlich starker Wert.
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